Neuigkeiten zu den Briefen

Traurige und spannende Nachträge zum Brief aus Wittenberge – 1920er Jahre

Als Inhalts-Warnung für sensible, betroffene oder traumatisierte Menschen:

Krieg, 1. Weltkrieg, Selbstmord, Grippe, Spanische Grippe, Tod durch Grippe/schwangere Tote durch Grippe, Pandemie, Corona

Ihr erinnert Euch an den Brief der Lehrerin Amalie Schüler aus Wittenberge vom 30.5.1920. Hier findet ihr den Brief und einige Erläuterungen dazu, nochmal zum Nachlesen oder auch zum Auffrischen der Erinnerung:

Link zum Brief:
“Mich freut´s, daß ich seine widerliche Visage nicht zu sehen brauche.”

Nun hatte ich (als der Brief hier auf der Seite veröffentlicht wurde) direkt Kontakt aufgenommen mit dem Wittenberger Archiv, die nachschauen und sich nochmal melden wollten. Außerdem kontaktierte ich den „Verein für Geschichte der Prignitz e. V.“. Wer mal schauen mag, was die so machen, hier der Link: www.geschichtsverein-prignitz.de

Dieser Verein war nun schneller mit hilfreichen Informationen. Daher melde ich mich heute bei Euch, um zu berichten, was Neues bekannt ist. Leider ist das, was ich Euch berichten kann, zum Teil trauriger Natur.

Aber schauen wir mal. Eine meiner Vermutungen, Ihr werdet Euch erinnern, betraf die Schule, an der Amalie angestellt war. Der Verein sagte dazu:

Bei der Schule handelt es sich zweifellos
um das städtische Lyzeum
(also die Oberschule für Mädchen).“

– Dr. Uwe Czubatynski, in der Email vom 05.02.2022

Lyzeum ist eine Bezeichnung für eine höhere Lehrstätte für Mädchen. Das Wort basiert auf einer sogenannten “Entlehnung”, einer Übernahme sprachlicher Bestandteile aus einer Sprache in eine andere, von Humanist:innen des 16. Jahrhunderts. Es stammt von dem lat. „Lycēum“, dem Namen für römische Gymnasien. (vgl. Pfeifer, 1993, o.S.) Ihr müsst wissen, noch vor ca. 120 Jahren wurden Mädchen nicht zum Abitur zugelassen. Erst mit der emanzipatorischen Erziehungsbewegung von starken Frauen wie Helene Lange und Gertrud Bäumer entstanden Ende des 19. Jahrhunderts aus den “Höheren Töchterschulen” die ersten Lyzeen als Gymnasien für Mädchen. (vgl. Struck, 2001, o.S.)

Kommen wir zu der Schule, an der (die Brief-Verfasserin) Amalie Schüler gearbeitet hat – zu der Zeit des Briefes an ihre Freundin. Hier hilft uns die in der Antwort-Mail an mich gesendete Veröffentlichung des Geschichtsvereines weiter, in der der leider mittlerweile verstorbene Herr Armin Feldmann über das Lyzeum ausführlich berichtete:

1902 wurde vom Magistrat der Stadt die Umwandlung der bisherigen Mädchen-Mittelschule in eine höhere Mädchenschule beschlossen. Es dauerte noch weitere 7 Jahre, bis 1909, bis die Umsetzung des Beschlusses angegriffen wurde. Es wurde Schulgeld verlangt, was damit vielen Kindern aus unteren Schichten den Zugang zur Schule verschloss. Mit Beginn des Schuljahres 1909/10 war so aus der Mädchen-Mittelschule die höhere Mädchenschule geworden.Wittenberger Schülerinnen besuchten also nun die neue Schule (natürlich nur soweit die Eltern das Schulgeld aufbringen konnten). (vgl. Feldmann, 2005, S. 84)

Hier seht Ihr den späteren Bau der Schule (und auch das Rathaus) auf einer alten Postkarte:

Ansichtskarte / Postkarte Wittenberge an der Elbe, Lyzeum und Rathaus – Bildquelle: akpool

Im Februar 1912, also 2-3 Jahre später, wurde ein Erlass des deutschen Kaisers und preußischen Königs veröffentlicht, „durch den genehmigt wird, dass den als “höhere Lehranstalten” anerkannten Höheren Mädchenschulen die Bezeichnung ‚Lyzeum‘ und den weiterführenden Bildungsanstalten für die weibliche Jugend die Bezeichnung ‚Oberlyzeum‘ beigelegt werde.“ Ein Oberlyzeum besaß Wittenberge nicht, da die neu geschaffene Schule nicht bis zum Abitur führte. (vgl. ebd., S. 85)

Unter den außerschulischen Veranstaltungen des Lyzeums gab es am 20.06.1911 einen Dampferausflug aller Klassen, inklusive der Familienangehörigen. Klingt nach einem spannenden Ausflug. Und was den Tag noch lustiger erscheinen lässt: sogar eine Musikkapelle wurde mitgenommen. (vgl. ebd., S. 87) Das Fräulein Schüler, die unseren Brief schrieb, unterrichtete also junge Mädchen aus bessergestellten Elternhäusern, fuhr auch mal mit ihnen auf Dampferfahrten. Allerdings bekamen ihre Schülerinnen keinen Abschluss auf Abiturniveau und damit keine Qualifikation, die weiterführend ein Studium erlaubte.

Dass der Brief ihr klar zugeordnet werden kann, gilt als bewiesen, denn auch Herr Czubatynski vom besagten Geschichtsverein schrieb in der Mail an mich, dass:

„es mit Sicherheit keine zweite Lehrerin Amalie Schüler in Wittenberge gegeben hat“.

Kommen wir zu dem Direktor, über den sich die Briefautorin Amalie so dermaßen abfällig geäußert hatte. Ihr erinnert Euch:

Mich freut´s , daß ich seine widerliche
Visage nicht zu sehen brauche.

– Amalie Schüler, 1920

Das Traurige ist, dass er sich noch im selben Jahr das Leben nahm, in dem Amalie das über ihn schrieb. Aber fangen wir von vorne an…

Bisher hatte ein Herr Rektor “Haase” von der Mädchen-Mittelschule auch die neue Schule geleitet. Nach der Pensionierung Haases wurde die Direktorstelle ausgeschrieben. Nur zehn Tage später ging die Bewerbung Dr. Friedrich Traugotts ein, der 1870 in Berlin geboren war. (vgl. Feldmann, 2005, S. 85) Weiterführend kann man lesen:

Er (…) hatte vorher auch bereits entsprechende Schulen in Neubrandenburg, Neuruppin und Potsdam (Gymnasium bzw. Oberrealschule) geleitet. In der Bewerbung gab er an, dass er die Lehrbefähigung in Französisch für die unteren Klassen, in Englisch und Deutsch für die höheren Klassen besaß, auf der Oberstufe aber auch bereits Mathematik und Geschichte unterrichtet hatte.
Er war verheiratet, jetzt 40 Jahre alt, zu seiner Familie gehörten zwei schulpflichtige Töchter.”
[Anmerkung: Betty hieß seine Frau, wie ich herausfinden konnte – ein schöner Name]

Sein Dienstantritt erfolgte zum 08.04.1911. Einige Jahre später zog er in die ihm zugewiesene Dienstwohnung im Direktorwohnhaus. Er beantragte die Umzugskosten bezahlt zu bekommen, dies wurde allerdings abgelehnt. (vgl. Feldmann, 2005, S. 86) Ein Versuch war es wohl wert.

Bereits 1913 bewarb sich der Direktor um eine Direktorenstelle in Halberstadt. (vgl. ebd., S. 88) Es kann nur gemutmaßt werden, warum er bereits 2 Jahre nach Dienstantritt versuchte woanders eine Anstellung zu finden (und sich eben 9 Jahre später das Leben nahm).

Im Hochsommer 1914 begann jedenfalls der Erste Weltkrieg. Verschiedene (Ober-)Lehrer wurden einbezogen, so auch der Direktor Traugott. Er wurde am 11.10.1915 zum Heeresdienst einberufen. Seine Vertretung wurde unter anderem von den Oberlehrerinnen “Greve, Schüler und Wilberg” übernommen, wie in den Unterlagen gelesen werden kann. Hier finden wir also das erste Mal unsere Briefautorin Amalie Schüler (abgesehen von den Übersichten über die Personalakten) näher erwähnt, die ihren Direktor offensichtlich wegen dem Kriegsausbruch vertrat. (vgl. ebd.)

Aber nicht nur der Direktor und die Leher:innen waren vom Krieg betroffen. Es ist belegt, dass die Schülerinnen des Wittenberger Lyzeums Binden, Strümpfe und Pulswärmer nähten und strickten, außerdem sandten sie zahlreiche Weihnachtspäckchen an Soldaten. (vgl. ebd.)

Die Mobilisierung von Kindern zur kriegsunterstützenden Arbeit in Deutschland setzte bereits im Sommer 1914 ein. Es wurden Tätigkeiten propagiert, die dem weiblichen Geschlecht zugeschrieben wurden – wie die Herstellung von „Kälteschutz“ und sogenannte „Liebesgaben“ für die Soldaten an der Front. Als „Liebesgaben“ wurden Päckchen bezeichnet, die üblicherweise kurz vor Weihnachten an die Soldaten in Kriegsgebieten geschickt wurden und neben Büchern, Zigaretten, Seife und Schokolade auch handgefertigte Strick- und Wollsachen enthielten. Die von den Wittenberger Schülerinnen gesendeten Pakete und das Nähen/Stricken von wärmender Kleidung (auch unabhängig von den Weihnachtspaketen) zählten also zu diesen, klar nach Geschlecht zugeteilten, “klassisch weiblichen” Unterstützungsleistungen. Prinzipiell sollten jedoch alle Kinder, egal welchen Geschlechts, gleichermaßen ihren Beitrag zum ‚Erreichen der Kriegsziele‘ leisten. (vgl. Fritz, o.J.)

Christa Hämmerle schrieb darüber in ihrer 1992er-Publikation: “„Wir strickten und nähten Wäsche für Soldaten …” – Von der Militarisierung des Handarbeitens im Ersten Weltkrieg”. Lest also gerne rein, wenn ihr mehr erfahren wollt!

Hier seht ihr jedenfalls eine Propaganda-Postkarte aus der Zeit:

Bildquelle: Schloß Schönbrunn Kultur-und Betriebsges.m.b.H./ Foto/Scan: Alexander E. Koller

Über mehrere Jahre wurde daran gearbeitet ein neues Schulgebäude für das Lyzeum zu errichten. Die Bauarbeiten und damit die Instandnahme zogen sich hin. Und jetzt der Krieg. Nach der Fertigstellung wurde das Gebäude, bis unmittelbar vor Ende des Ersten Weltkriegs, als Lazarett genutzt. (vgl. Feldmann, 2005, S. 89)

Der oben erwähnte Versuch des Direktors wegzukommen sollte nicht der letzte gewesen sein, auch während des Krieges wollte der Schulleiter Wittenberge (oder explizit die Schule/Lehrer:innenschaft?) verlassen. Ende Dezember 1916 bewarb sich Direktor Dr. Traugott, so ist es belegt, um die Leitung der städtischen Realschule Neukölln, er muss also vorher aus dem Militärdienst entlassen worden sein. (vgl. ebd.) Sein Wunsch zu gehen muss stark gewesen sein, wenn er es mehrfach versuchte. Auch diese Bewerbung war nicht von Erfolg gekrönt. Nur 4 Jahre später sollte er sich das Leben nehmen. Wer weiss, wie sein Leben verlaufen wäre, wäre er genommen worden. Es ist aber wie es ist: er bekam auch diese Stellle nicht und ging in den Tod.

Bis dahin sollte noch etwas Zeit vergehen, Zeit in der er vielseitig aktiv war. Der Herr Doktor hatte viermal in der Zeitschrift „Die höheren Mädchenschulen“ publiziert, er leite auch die „öffentliche Lesehalle, die mit einer Bücherausleihe verbunden ist“; nebenamtlich war er an der städtischen Handelsschule tätig. – So hieß es in der Qualifikation, mit der er sich beworben hatte. Mitte September 1916 wurde ihm zudem der Rang der Räte vierter Klasse verliehen. (vgl. ebd.)

Im Oktober 1918 mussten die Schulen in Wittenberge wegen hunderter Grippefälle für zehn Tage geschlossen bleiben. Diese Epidemie ging weit über Wittenberge und Brandenburg hinaus. (vgl. ebd., S. 92)

Bildquelle: medmedia

Bei der hier erwähnten Grippe handelt es sich vermutlich um die sogenannte „Spanischen Grippe“. Diese war eine der schlimmsten Grippeepidemien der Geschichte. Sie tötete in nur wenigen Monaten Schätzungen zufolge zwischen 27 bis 50 Millionen Menschen, manche Quellen sprechen sogar von noch mehr Toten. (vgl. Maybaum, 2018, o.S.) Oft zeigten die Menschen Symptome und starben noch am selben Tag.

“Unter den zahlreichen Verstorbenen waren auch Egon Schiele und seine damals schwangere Frau, Edith Schiele. Auch Franz Kafka zählte zu den Betroffenen – er überstand jedoch die Erkrankung und starb sechs Jahre später an den Folgen einer Tuberkulose.” (Niedenzu, 2018, o.S.) Ich bin großer Fan von Kafkas abgedruckten Briefen, hab mich wegen eben diesen viel mit seinem Leben befasst; ich wusste auch, woran er gestorben war, aber dass auch bei ihm die Spanische Grippe eine Rolle spielte, war mir noch nicht bewusst.

Der Ausbruch der Pandemie, die in drei Wellen vom Frühjahr 1918 bis 1920 weltweit über die Menschen hereinbrach, liegt nun etwas über 100 Jahre zurück. (vgl. Maybaum, 2018, o.S.)

Rechts seht Ihr eine englischsprachige Werbung, die auf hilfreiches Verhalten, zum Schutz vor der Grippe, hinweist. Darunter ist zu lesen, dass man nicht in die Richtung von Menschen niesen oder husten solle; am besten sei dies in Taschentücher zu tun, oder zumindest den Kopf nach unten neigen. Auch abgebildet sind Menschen, die sich in das Gesicht fassen oder an Stiften kauen, mit der Notiz, dies zu unterlassen.

Während des Ausbruches und des weiteren Verlaufes der Corona-Pandemie 2019 machten alte Fotografien aus der Zeit der Spanischen Grippe in den Sozialen Medien (“Social Media”) die Runde, besonders da es damals teilweise eine Maskenpflicht, oder zumindest vielerorts eine -empfehlung, gab.

Mundschutzmasken 1919 in Brisbane in Australien, Quelle: ANSA
Stadtpersonal im Rathaus von Sydney mit Schutzmasken │ um 1919, Foto: City Archives 093660 │ Schweizerisches Nationalmuseum
Schutzmasken gegen Spanische Grippe in Grossbritannien 1918, die in einer Schweizer Zeitung abgebildet wurden | Ich bin in deutschen Zügen und Bahnen die letzten Jahre einigen Menschen begegnet, denen die linke Maske gefallen würde. | Bild: RDB
Berühmt geworden auch dieses Bild – es scheint so, als hätten sie auch der Katze eine Maske aufgesetzt | Bildquelle: DUBLIN HERITAGE PARK & MUSEUM

Behörden riefen dazu auf, Zugfahrten und Versammlungen zu meiden, Schulen wurden geschlossen. Um Infektionen zu vermeiden, wurde die Bevölkerung für eine bessere Hygiene sensibilisiert. Ein paar von den Ratschlägen habt Ihr ja weiter oben in der englischsprachigen Publikation gesehen. Empfohlen wurde zudem gründliche Desinfektion. – Ich denke Ihr seht die vielen Parallelen. Es finden sich aber auch Unterschiede von damals zu heute: In England gab zur Bekämpfung ab Dezember 1918 Whisky auf Rezept. Anders auch, im Gegensatz zu heute: eine Impfung war nicht verfügbar.

Nur ein Zufall, wenngleich ein spannender, ist, dass zwischen diesen beiden Pandemien so ziemlich 100 Jahre liegen.

In dem Brief benannte Amalie nichts zu der Grippe, allerdings nahm sie Bezug auf politische Umstände der Zeit. So sagte sie, Ihr erinnert Euch sicher noch, dass ihr Direktor Vorstand der „demokr. Partei“ sei. Meine Vermutung war dann in dem Brief-Blogpost, den ich für Euch verfasst hab, dass es sich um die DDP handelte, über die ich unter dem Brief, in den Ausführungen zum historischen Kontext, berichtete. Es handelte sich um eine liberale Partei. Während des sogenannten “Kapp-Putsches” im März 1920 beteiligte sich der Direktor, laut der Stadtchronik, an Aktionen gegen die Putschist:innen. (vgl. Feldmann, 2005, S. 93) Der Putschversuch richtete sich gegen die von SPD, Zentrum und DDP getragene Regierung.

Auch in den Ausführungen von Armin Feldmann (2005), die ich durchgearbeitet habe, steht klar:

„Dr. Traugott gehörte (…) zu den Mitgliedern der eben gegründeten Deutschen Demokratischen Partei (…)“

– Feldmann, 2005, S. 93

Meine Vermutung, dass er zur DDP gehörte, kann also auch bestätigt werden. Ich war ja mit meinen Recherchen zu seiner Person, die ich anhand der im Brief stehenden Stichworte durchführte, nicht weiter gekommen. Nun wissen wir aber sowohl den Namen des Direktors, als auch einiges über sein berufliches, ehrenamtliches und politisches Wirken. Daher gilt mein großer Dank dem Geschichtsverein.

Am 6. September 2020 veröffentlichte die Stadt Wittenberge auf ihrer Facebook-Seite ein Bilderrätsel, in der sie fragten, um welche Straße es sich wohl handeln würde. Bei der Auflösung des Rätsels gaben sie bekannt, dass auch Dr. Traugott zeitweise in dieser gesuchten Strasse, der Lenzener Strasse, gewohnt hat. Hier seht Ihr sie in einer Aufnahme von 1904:

Bildquelle: Facebookseite der Stadt Wittenberge

Eine hübsche Straße, die er damals bewohnte. Besonders die Hunde sind süss. Dr. Traugott war – neben den bereits besagten Ämtern – Stadtschulrat, er leitete die „Volksbücherei“ der Stadt sowie die Mittelschule, auch wurde er in eine Kommission delegiert, welche die Richtlinien für die in Wittenberge zu schaffende Volkshochschule erarbeiten sollte. Nun kam es am 09.11.1920 zum Freitod des Direktors. (vgl. Feldmann, 2005, S. 93)

Ihr erinnert Euch: der Brief, auf den ich mich hier beziehe, wurde am 30.5.1920 geschrieben. Wie Ihr an den Daten sehen könnt: nur wenige Monate später sollte der ungeliebte Doktor, mit seiner „Visage“, wie es Amalie schrieb, also kein Thema mehr gewesen sein für sie. Er wurde nur um die 50 Jahre alt. Wie sie auf sein Ableben reagiert hat, ist nicht bekannt. Ich verfüge – zu meinem Bedauern – ja nur über diesen einen Brief.


Am 25.03.1924 hatte der Magistrat protokolliert, dass 3 Lehrer:innen des Lyzeums, und dabei auch eine Frau Schüler, in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden sollten. (vgl. ebd., S. 100) Das verändert das von mir vermutete Alter von Amalie, dass sie zu Zeiten des Briefes hatte, doch um einiges nach hinten.

Ich konnte bisher nicht herausfinden, was das übliche Rentenalter von Lehrer:innen 1920 war, aber wenn wir von 60 ausgehen, war sie zu Zeiten des Briefes bereits um die 56 Jahre alt. Das hätte ich nicht gedacht, muss ich ehrlich zugeben. Was der Grund für meine Annahme war, kann ich nicht mehr sagen, aber ich hatte nicht an eine Frau kurz vor der Rente gedacht, die diese Städtereise(n) unternimmt. Auch war es ja wegen dem Lehrerinnen-Zölibat nicht üblich, dass Frauen so lange in diesem Beruf blieben. Viele heirateten irgendwann und mussten daraufhin die Berufsausübung beenden.

Vielleicht liebte Amalie ihren Beruf, blieb daher trotz dieser höchst sexistischen Regeln bis zur Rente.

Ich hoffe auf noch weitere Informationen gerade zu der Briefschreiberin, ihren Lebensdaten u.ä., von dem Stadtarchiv Wittenberge, die sich ja nochmal melden wollten. Selbstredend halte ich Euch auf dem Laufenden!

Einen schönen Tag noch.
Lasst ein Kommentar da, wenn Euch der Brief/der Nachtrag dazu gefallen hat.


Verwendete Quellen:

Feldmann, A. (2005): Das Städtische Lyzeum zu Wittenberge – Geschichte einer Schule. In: Czubatynski, U. (Hrsg.): Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Prignitz, Band 5. Perleberg.

Fritz, J. (o.J.): Arbeit aus Liebe. Verfügbar unter: https://ww1.habsburger.net/de/kapitel/arbeit-aus-liebe – abgerufen am: 16.02.2022.

Pfeifer, W. et al., Etymologisches Wörterbuch des Deutschen (1993), digitalisierte und von Wolfgang Pfeifer überarbeitete Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/d/wb-etymwb>, abgerufen am 16.02.2022.

Maybaum, T. (2018): Spanische Grippe: Ein Virus – Millionen Tote. Verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/197155/Spanische-Grippe-Ein-Virus-Millionen-Tote – abgerufen am: 16.02.2022.

Niedenzu, S. (2018 | 2020 aktualisiert): Krieg und Krankheit: Die Spanische Grippe 1918. Verfügbar unter: https://www.medmedia.at/nextdoc/krieg-und-krankheit-die-spanische-grippe-1918/ – abgerufen am: 16.02.2022.

Stadt Wittenberge (6. September 2020): Bilderrätsel am Sonntag. Verfügbar unter: https://www.facebook.com/StadtWittenberge/posts/174116304215822 – abgerufen am: 16.02.2022.

Struck, P. (2001): Chemieunterricht als Girlscamp. Verfügbar unter: https://www.welt.de/print-welt/article435518/Chemieunterricht-als-Girlscamp.html – abgerufen am: 16.02.2022.

1 Kommentar

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