(historische) Rundgänge

Bericht zu den Rundgängen am Wochenende des 22. – 24.08.2025

Am Wochenende des 22. bis 24. August 2025 gab es die ersten zwei Durchführungen des neu ausgearbeiteten Rundganges zu Weltkriegsspuren in der Leipziger Südvorstadt. Da das Wetter nicht auf lange Sicht vorauszusehen ist, wurde der genaue Veranstaltungstag nicht vorher bekannt gegeben, sondern in den Tagen vorher konkret geplant. Als es dann immer mehr Anmeldungen gab, wurde beschlossen zwei statt einem Rundgang stattfinden zu lassen.

Es gab reges Interesse, leider aber auch immer wieder kurzfristige Absagen, was die Planung ungemein erschwert hat, da der Rundgang aus organisatorischen Gründen auf eine kleine Zahl pro Tag begrenzt ist.

Insgesamt haben dann an dem Wochenende 14 Personen teilgenommen mit sehr netten bis hin zu sogar überschwänglichem Feedback. Ob es wirklich allen gefallen hat, weiss man ja am Ende nie, aber sicherlich haben alle Neues erfahren. Und sie haben – was das erklärte Ziel des Rundganges war: gelernt Kriegsspuren zu erkennen.

Diese haben wir auf den Bodenplatten, an Mauern und an Häuserwänden und – eingängen gesucht UND natürlich auch gefunden.

Die Spuren, die hier in der Leipziger Südvorstadt zu finden sind, sind Überbleibsel der letzten Verteidigung der Stadt durch SS, Volkssturm (teils 16-Jährige) und Reste der Wehrmacht, die den Einmarsch der amerikanischen Armee in Leipzig April 1945 aufhalten wollten.


Bild Nr. 1 – oben links: Deutliche Kriegsspuren auf den Bodenplatten in der Kantstraße, 4275 Leipzig
(Aufnahme: August 2025)


Bild oben: Kriegsspuren auf den Bodenplatten in der Kantstraße, 04275 Leipzig (Aufnahme: August 2025)
Bild unten: Einschüsse auf einer kleinen Mauer in der Fockestraße, 04275 Leipzig (Aufnahme: August 2025)
Bild Nr. 2: 4 klare Einschüsse auf einer kleinen Mauer in der Fockestraße,
04275 Leipzig, übermalt von Graffiti, aber doch gut erkennbar (Aufnahme: August 2025)

Es war auch für mich als Leiterin des Rundganges aufregend ihn das erste Mal durchzuführen. Dafür wurde extra ein Einkaufstrolley angeschafft, damit die orginalen Artefakte transportiert werden können trotz meiner chronischen Erkrankung. Auch mussten Aufbewahrungskisten für die wertvollen historischen Schätze besorgt werden, unzählige Bücher für die Ausarbeitungen und vieles mehr.

Der finanzielle und zeitliche Aufwand war enorm. Es bedurfte einiger Wochen der Vorbereitung, aber ich bin überzeugt, es ist der Mühe wert gewesen.

Bild Nr. 3: Kampfspuren an einem Haus in der Brandvorwerkstraße, 04275 Leipzig (Bild: August 2025) – auch Verfall an der Häuserfassade ist erkennbar. Ein geübtes Auge erkennt aber den Unterschied. In einigen Jahren wird das Haus renoviert und die Spuren werden verschwunden sein. Neue Mieter*innen dürfen bereits nicht mehr einziehen. Eine Renovierung wird also mittel- bis langfristig bereits seit einer Weile geplant.

Seit vielen Jahren fragen immer wieder Menschen nach der Geschichte des Fockeberges und sind interessiert daran mehr zu erfahren von meinem angehäuftem Wissen über die letzten Kämpfe und Bombardierungen und deren Spuren in diesem Viertel des Leipziger Südens. Daher kam die Idee des Rundganges auf.

Ursprünglich sollten die Ersten im Juli stattfinden, aber aus gesundheitlichen Gründen wurde es nun der August erst. So ist das halt manchmal, kann man nichts machen! Hauptsache es kam noch dazu, denk ich.

Hier drunter seht ihr das Poster, mit dem zu den Rundgängen geladen wurde. Die meisten Anmeldungen kamen aber über Internetwerbung auf zwei Portalen rein. Doch ist es sicher nicht schlecht Menschen auch über Poster aufmerksam zu machen auf dieses Bildungs-Angebot. So bleibt es im Gespräch.


Aber zurück zu den vom 22.-24.08.2024 durchgeführten Stadtteilbegehungen: Wir starteten in einem kleinen Café. So konnten alle gemütlich ankommen. Alle kamen pünktlich, daher kam es nicht zu Verzögerungen und es konnte schnell losgegangen werden.

Das Wetter war stabil am ersten Tag, es war nicht zu heiß und regenfrei, daher gab es keinerlei Probleme mit der Durchführung. Alles lief nach Plan. Am zweiten Tag lief es leider nicht so unkompliziert, da das Wetter sich sehr wechselhaft zeigte. Trotzdem hielt es sich aber so gut, dass wir auch diesen Rundgang durchziehen konnten ohne weitere Probleme. Es war sehr herbstlich, gefühlt.


Bild Nr. 4: Einschüsse, darunter ein sehr deutlicher zentral im Bild, in der Fockestraße, 04275 Leipzig (Aufnahme: August 2025)

Um zu lernen, woran man Kriegsspuren erkennt, schauten wir uns einige davon exemplarisch näher an. Die Bilder hier im Beitrag geben denke einen guten Eindruck davon.

Natürlich macht es etwas mit einem sich vorzustellen, wie sie damals entstanden sind, welche Gefühle in den Menschen vorgingen, die kämpften oder hier wohnten damals. Aber so ein Rundgang kann ja durchaus auch zum Denken anregen und Gefühle auslösen. Keinesfalls sollten bei einem von mir Organisiertem einfach nur historische Fakten “runtergeplappert” werden. Damit die damalige Zeit für die Teilnehmer*innen noch greifbarer wurde, hatte ich mich entschieden auch originale Erfahrungsberichte aus der Zeit vorzutragen.

Bild Nr. 5: Auf dem Weg zum nächsten Haltepunkt.

In vielen Städten und Gebieten, in denen sich Kriegsspuren finden lassen, sind es eher im Krieg verlorengegangene Gebäude (Neubauten zwischen alten Häusern oder Lücken in Straßenzügen), Splitterspuren von Bombardierungen oder höchstens noch Reste von Bombenkellern – wie verblasste Beschriftungen dazu an Häusern. Aber natürlich kann man auch Überbleibsel von Kämpfen erkennen hin und wieder, so wie hier im Viertel.

Alle von den eben erwähnten Spuren verschwinden Stück für Stück. Dadurch entstehen Lücken im Verständnis, wie Geschehnisse abgelaufen sind in den (letzten) Kriegstagen, beziehungsweise auch solche über die gesamte Zeit der furchtbaren Jahre des Nationalsozialismus an der Macht. Daher ist es sicher sinnvoll sobald es geht und solange es noch möglich ist, diese Spuren anzuschauen und zu besprechen.

So war es geplant an diesem Wochenende und so machten wir es zusammen – ich und die Teilnehmenden. Wir unterhielten uns an diesem Wochenende – neben den Kampfspuren – auch über durch den Krieg verschwundene Gebäude hier im Leipziger Süden sowie über die Massen von Schutt nach den Bombardierungen (ab 1943) und den Umgang der Menschen damit. Ich denke es ist klar geworden: viele relevante und interessante Themen zum Verständnis der Kriegszeit in Leipzig wurden besprochen.

1 1/2 h bis 2h war zu knapp geplant. Es wurden auf jeden Fall 2h. Nach den Kriegsspuren in den Straßen und einem erhaltenen Bombenkrater, untersuchten wir noch Überbleibsel aus der Zeit in Form von originalen Artefakten. Natürlich werden hier im Beitrag nicht alle gezeigt. Kommt zum Rundgang, dann seht ihr mehr!! 🙂


Nach ungefähr 8 Haltepunkten war der Rundgang vorbei. Manche verschwanden hier, ein Teil blieb noch. Offiziell war die Veranstaltung beendet.

Freiwillig konnte dann wieder zusammen mit mir zum Startpunkt zurück gegangen werden. Auf dem Weg zurück gab es noch 3 weitere Punkte: zu einer im Krieg zerstörten und in der DDR abgerissenen Kirche, ein Haltepunkt zu sogenannten “Stolpersteinen” mit Infos zu ehemaligen Nachbar*innen, die umgebracht wurden durch Nationalsozialist*innen und ein letzter Punkt zu einem Widerstandskämpfer, der im diesem Viertel gewohnt hat, bevor auch er ermordet wurde. An beiden Tagen wollten Menschen bis zum Ende dabei bleiben, also auch noch bei diesem Zusatz den Informationen zu lauschen.

Dann war es auch für die letzten Teilnehmenden vorbei.

Manche nahmen sich noch Zeit mir liebe Worte oder Anregungen mitzugeben für die Zukunft. Andere entschieden sich noch auf einen kleinen Schwatz bei Kaffee und Kuchen zum Abschluss des Ausfluges. Insgesamt war es eine wirklich schöne Veranstaltung mit tollen Menschen. So meine Sicht auf das Wochenende.

Hier seht ihr Bilder von den 2 Tagen von mir mit Olly – dem Trolley, der für den Rundgang angeschafft wurde (Es war mir ein Bedürfnis Erinnerungsbilder zu machen nach dem neuen Rundgang – ich hatte für den Tag versucht zu einem historischen Rundgang passende Outfits zusammen zu stellen. Natürlich keine 1945-thematischen – das wäre ja gruselig gewesen und wird sicher von Niemandem gewollt sein):


Mich plagten noch Bedenken, dass ich komisch angeschaut werde, wenn ich mit einem (Einkaufs-)Trolley bei den Teilnehmenden bzw. dem gemeinsamen Treffpunkt ankomme oder so durch die Straßen laufe. Aber ich sah mich gezwungen mir etwas überlegen, dass es mir – trotz meiner Krankheit – erlaubt, alles zu transportieren und zur Not auch mal kurz zu sitzen, denn er hat auch einen integrierten Hocker. So war es die beste Lösung. Es gab aber keinerlei negative Anmerkungen dazu, im Gegenteil.

Auch zu bemerken ist: Liebe Teilnehmer*innen halfen mir während des Rundganges mit dem Rollen von Olly. 😉 Das war wirklich sehr zuvorkommend von ihnen und wurde meinerseits dankbar angenommen. Besonders zu betonen ist auch, dass nicht darum gebeten werden musste. Es waren einfach nur aufmerksame und nette Menschen, die sich mir angeschlossen hatten an diesen Tagen.

Bild Nr. 10: Foto der Reste der 2. Rundgangs-Gruppe auf dem Rückweg.

Ich muss sagen, ich war glücklich und erleichtert, dass es so gut lief. Ein solches Thema ist ja immer etwas heikel. Man möchte der historischen Verantwortung gerecht werden, aufklären und informieren – ohne einen erhobenen Zeigefinger und auch nicht in einer Art, dass die Kriegszeit wie ein Spektakel rüber kommt. Ebenfalls man weiss nicht, wer kommt, was für eine Einstellungen sie mitbringen. Eventuell zieht man rechtsgerichtete, kriegsverherrlichende Menschen an oder solche, die die Fakten zugunsten der deutschen Kriegspartei verdrehen.

Daher soll nochmal klar gestellt werden: Absolut indiskutabel ist, dass Deutschland den Krieg begonnen und für das massenhafte Leid der Menschen verantwortlich ist. Auch die letzten Kampfspuren, die wir gemeinsam betrachtet hatten an diesem Wochenende, sind ein Zeugnis noch sinnlosem Leid durch Deutsche und ihre ebenso sinnlose Kämpfe in den letzten drei Tagen im April 1945, in denen Leipzig eingenommen wurde und schon lange klar war, dass eine “Verteidigung” gegen die Amerikaner (der 2. US-Infanteriedivision und der 69. US-Infanteriedivision, unterstützt durch die 9. US-Panzerdivision) keinen Sinn ergab (und der Krieg insgesamt verloren war).

Doch starben hier noch Menschen in 3-stelliger Höhe, obwohl die meisten Leipziger*innen zu dieser Zeit, nach vielen Jahren Krieg – wie viele im Land – kriegsmüde waren und nicht die Überbleibsel ihrer Stadt (nach den ganzen Bombardierungen) durch Kämpfe vor der Haustür wollten zerstört werden sehen. Davon zeugen auch einige erhalten gebliebene Briefe und verbreitete Flugblätter von Bewohner*innen und Aktivist*innen, die die Stadtleitung und deutsche Kämpfer*innen (Volkssturm, SS, Wehrmacht, Flakhelfer*innen etc.) darum baten, die Stadt friedlich zu übergeben.

Eventuell schreibe ich nochmal mehr (einen eigenen Beitrag) über historische Fakten zu diesen letzten Tagen, wenn daran ein Interesse herrscht, dass durch den Rundgang nicht abgedeckt werden kann. Manche von Euch wohnen ja schlichtweg zu weit weg, dass sie teilnehmen könnten. Andere wollen vielleicht noch weiterführend lesen darüber nach einer Teilnahme an der Stadtteilerkundung.

Wer hingegen noch nicht dabei war und kommen mag: Es wird noch 2 weitere Wochenenden im September und dann wieder welche im Frühling geben, an denen der Rundgang stattfindet. Es gibt aber auch die Möglichkeit eine eigene, private Tour anzufragen, solange ihr 5 Personen zusammen kriegen könnt, denn das ist das Minimum.

Ich denke auch darüber nach noch in anderen Gebieten solche oder andere historische Rundgänge anzubieten. Wer Ideen oder Wünsche dazu hat: Schreibt mir oder kommentiert hier drunter.

Abschließen möchte ich mit diesem Zitat:

“Krieg ist ein Ort, an dem junge Menschen, die sich nicht kennen und sich nicht hassen, einander töten,

durch die Entscheidung alter Menschen, die sich kennen und sich hassen, aber sich nicht gegenseitig töten”.

– unbekannt

Vielen Dank an alle Teilnehmer*innen. Ich hoff wirklich, es hat euch gefallen. Schreibt gern einen Erfahrungsbericht. Ich hab einen extra Beitrag dazu gemacht – hier: https://die-bewahrerin.net/rundgaenge/erfahrungsberichte-zu-den-rundgaengen/.

An alle, die noch wollen: Schreibt eine Mail!

Bis bald.

Eure “Bewahrerin”

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